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Wissenschaft und Glaube

Begonnen von Thalurial, 19. September 2006, 10:00:52

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Thalurial

In einem anderen Thread sind wir auf die Frage zur Beziehung zwischen Wissenschaft und Glauben gekommen. Da es dort nicht ganz hinein passt, habe ich diesen hier eröffnet.
Erstmal zwei Auszüge:

Thalurial
ZitatZur Naturwissenschaft möchte ich da noch sagen, dass man Wissenschaft und Glauben nicht trennen kann. Noch hat die Wissenschaft Grenzen, die man nur mit Glauben ausfüllen oder einfach ignorieren kann.
Dazu sage ich gerne: "Was nutzt das beste Wissen, wenn ich nicht glaube, dass es richtig ist?"

Bart FU
ZitatHi Thalurial,

d'accord mit Deinen Aussagen, allerdings finde ich, dass man Wissenschaft und Glaube trennen muss. Das sagst Du ja auch selbst:

"Noch hat die Wissenschaft Grenzen, die man nur mit Glauben ausfüllen oder einfach ignorieren kann." Also gibt es da eine Grenze. Und natuerlich glaube ich, dass ich etwas weiss - aber dieser "Glaube" hat doch mit Religion nicht viel zu tun. Eher "Glauben" im Sinne von

"Annehmen" bzw. seine Annahme fuer wahr zu halten. Theorien werden in der Wissenschaft aber nur dann angenmmen, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen experimentell ueberprueft worden sind. Na klar, jetzt kann man dahingehen und die Annahmen hinterfragen, die diesen

Experimenten zugrunde liegen und so weiter. Dann kommt man irgendwann an einen Punkt, bei dem man die Dinge nicht mehr experimentell ueberpruefen kann. Aber ohne solche unbeweisbaren Eckpunkte haette man ja kein Korrdinatensystem, innerhalb dessen man Wissenschaft betreiben kann. Dass man diese Eckpunkte also als gegeben annimmt, ist meiner Meinung nach kein Zeichen von Glauben, da man selbst diese Eckpunkte immer und immer wieder versucht, experimentell zu untermauern. Und irgendwann schafft man das mit noch besseren Messmethoden. Und dann wird das alte System in Frage gestellt und ein neues Geruest aufgezogen. So geht das immer weiter. Das ist ja gerade der Unterschied zum Glauben: bei der Religion nimmt man einige Dinge (z.B. die Existenz Gottes) als gegeben an und stellt sie gerade NICHT in Frage.

Mir hat mal jemand gesagt, aha, Du bist Biologe, das bedeutet: der Glaube an die Zelle. Aber in der Biologie wird die Zelle laengst nicht mehr als kleinste Organisationseinheit angesehen.

Man hat erkannt, dass viele Komponenten in der Zelle eine ebenso wichtige Funktion erfuellen und dass Zellen oft auch nur im Verband mit anderen Zellen Leben und Entwicklung hervorbringen. Wenn man die "Ursuppe" vor vielen Jahrmillionen betrachtet, dann erkennt man, dass das erste Leben vielleicht sogar ganz ohne eine Zelle auskam. Die ersten molekuele haben vielleicht auch so funktioniert, und Zellmembranen mussten sich erst einmal bilden. Dann haben sie sich geschlossen und bildeten eine ganz prima Schutzbarriere gegen all die Saeure und Hitze ausserhalb der Zelle. Somit war die Zelle eine sehr erfolgreiche Lebensform, und konnte am besten weiterexistieren. Und so weiter.

Ich empfehle zum Vergleich "Glaube vs. Wissenschaft" uebrigens das Buch

Darwin und die Goetter der Scheibenwelt

von Terry Pratchett.
Schnelle Bewegung ist noch kein zielgerichtetes Vorgehen.

Thalurial

Glaube ist leider oft eine Folge von Manipulation, die auch auf echten oder falschen Wissenschaftlichen Ergebnis fußen kann.
Als Beispiel der Cholesterinspiegel.
Uns wurde von Ärzten und Medien immer wieder erzählt, dass ein zu hoher Cholesterin-Wert schädlich sei und man ihn durch richtige Ernährung und Medikamente senken kann.
Jetzt wird in den Medien drüber berichtet, dass dieser Wert auf einer alten Studie einer Versicherungsgesellschaft beruht. Es heißt jetzt, dass vielleicht 3% des Cholesterins durch Ernährung kommen, der Rest wird vom Körper selbst produziert.

Und hier sehe ich eine Verbindung zwischen Glauben und Wissenschaft. Klar, der Wissenschaftler selbst geht experimentell vor und hinterfragt auch. Aber die Masse der Menschen glaubt entweder an die Ergebnisse oder nicht, beeinflusst von Medien und modernen Aposteln.
Von der Körpereigenen Produktion des Cholesterins habe ich schon vor 10 Jahren gehört, als noch kein Hahn nach gekräht hat. Damals hat mir niemand geglaubt, weil es halt nicht verbreitet wurde. Jetzt wird es offen verbreitet, jetzt reden viele davon.
Das sind Strukturen, wie man sie in den meisten Kirchengemeinschaften findet. Querdenker können durchaus Recht haben, aber wenn die Vorbeter etwas anderes sagen, wird das geglaubt.

Daher unterscheide ich nicht zwischen dem Glauben an einen Gott und dem Glauben an die Wissenschaft oder andere Dinge.
Gerade um die Gesundheitsapostel hat sich ja mittlerweile ein Glaubensgemeinschaft gebildet, die in vielen Dingen einer Kirche mehr als ählich ist. Einschließlich der Ausgrenzung Andersgläubiger.

Die andere Verbindung ist halt, dass ein Wissenschaftler irgendwann glauben muss, dass er mit seinem Experiment fertig ist und die richtigen Ergebnisse hat. Später kann er selbst oder jemand anderes das Experiment wieder in Frage stellen, denn Zweifel sind ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung.
Schnelle Bewegung ist noch kein zielgerichtetes Vorgehen.

Argamae

Grundsätzlich interessante Ansicht. Natürlich gibt es Parallelen zwischen dem oftmals einfältigen Wissenschaftsglauben und dem "blinden Gehorsam" religiöser Dogmen.

Sehr schön hat es auch Neil Postman (amer. Gesellschaftskritiker) in seinen Büchern beschrieben (besonders empfehlenswert: "Wir amüsieren uns zu Tode" und "Das Technopol"). Dort schilderte er einen Versuch, bei welchem er völlig absurde und frei erfundene Wissenschaftsergebnisse beiläufig unter seinen Kollegen an der Uni streute. Dinge wie "eine bestimmte Sorte Pralinen besitzt spezielle Enzyme und regt die Fettverbrennung im Körper an. Man kann durch regelmäßigen Verzehr sogar damit abnehmen!" Erstaunlich ist, daß die Bereitschaft, solche Geschichten zu glauben, mit der scheinbaren Glaubwürdigkeit der "Quelle" deutlich stieg. Wurden namhafte Institute genannt, nahmen die meisten seiner Mitdozenten die Info so mit und durchaus für bare Münze.
Grund: niemand kann heutzutage wissenschaftliche Ergebnisse und Entdeckungen selbst hinreichend nachvollziehen - zumindest nicht im Bereich der immer weiter spezialisierten Fachbereiche. Nur wenige Menschen besitzen die entsprechenden Voraussetzungen, kritisch Wissenschaft zu hinterfragen. Die breite Masse ist bereit, erstmal zu glauben, was die Wissenschaft ihnen präsentiert.

Und so verhält es sich in vieler Hinsicht auch mit Religionen. Wenn der Vorbeter das sagt, wird's schon stimmen. Kritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen eines Glaubens (etwa Bibel oder Koran) findet nicht automatisch statt. Man läßt sich seine Meinung diktieren, man bildet sie sich nicht.
Es hatte schon einen Grund, weshalb man es im Mittelalter bei den meist ungebildeten und illiteraten Menschen so leicht war, ihnen durch die Institution "Kirche" völlig neue Werte und Vorstellungen aufzudiktieren. Warum? Niemand konnte sich durch das Lesen selbst eine eigene Meinung über die "heiligen Schriften" bilden.

Doch wir sollten eines nicht vergessen: Wissenschaft liefert zumeist überprüfbare Ergebnisse. Und ist beliebig wiederholbar - mit den selben Resultaten. Bei religiös geprägten Ereignissen (sogenannten "Wundern") ist diese Wiederholbarkeit nicht gegeben. Allein diese Tatsache ist schon sehr fundamental in ihrer Wirkung auf die "Glaubensbereitschaft".
In Memoriam Gary Gygax (1938-2008), Dave Arneson (1947-2009), Joe Dever (1956-2016), Greg Stafford (1948-2018), Terry K. Amthor (1958-2021) und Ingo Schulze (1977-2021)
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Ghost

ZitatDas sind Strukturen, wie man sie in den meisten Kirchengemeinschaften findet. Querdenker können durchaus Recht haben, aber wenn die Vorbeter etwas anderes sagen, wird das geglaubt.
Einher damit geht aber auch ein gehöriges Maß an Ignoranz und Mitläufertum.
Wenn etwas gehört wird, was den Ansichten des Vorbeters widerspricht oder zumindest nicht mit ihnen in Einklang zu bringen ist, wird es entweder ignoriert oder als falsch dargestellt. Gerade im religiösen Bereich (aber auch in naturwissenschaftlichen/technischen Bereichen) keimt dort sehr schnell der Fanatismus.

Dieser Fanatismus macht oft blind gegenüber anderen Aussagen und manchmal auch der Wahrheit. Die Wissenschaft definiert sich häufig über die Mathematik, mittlerweile auch eine Art Religion. Niemand aber ist momentan in der Lage, die Grundsätze der Mathematik wirklich zu hinterfragen oder anzuzweifeln. Das liegt nicht daran, dass sie hieb- und stichfest sind, sondern einfach daran, dass es an Vorstellungsvermögen fehlt.
Als Beispiel die Division mit Null. Eine zeitlang wurde "vorgebetet", dass es verboten sei, so etwas zu tun. Später hieß es dann einfach nur noch, dass es undefiniert ist. Tausende von Mathematikern träumen sicherlich davon, eine Lösung für dieses Problem zu finden, einfach aus dem Grund, weil sie der eigenen Religion (die Mathematik) nicht trauen. Das kann aber völlig unabhängig von ihrer Religion sein, bei der sie keine Zweifel zulassen. Die Mathematik wurde von Gott (oder den Göttern) der Menschheit als Geschenk gegeben - warum also anzweifeln? Es geht nur darum, die Geheimnisse zu entschlüsseln.

Hier ist also eine Trennung zwischen Wissenschaft und Glaube vorzunehmen. In den Religionen, die etwas freier sind, ist es durchaus möglich, die Wissenschaft als Teil eines Gottesgeschenks zu sehen - ein Rätsel, dass es zu lösen gilt.
Warum sollte ein Gott es den Menschen nicht ermöglichen, ihn selbst zu enträtseln und so vielleicht zu exaltieren? Paradoxerweise führt genau diese Trennung aber wieder zum Untrennbaren zurück.

Betrachten wir nun - aufgeklärt, wie wir sind - die Wissenschaft einmal komplett ohne jegliche Religion, lässt sich alles zurückführen auf einen ziemlich großen Knall. Woher kam der? Warum hat es geknallt? Gab es etwas davor? Sind wir wirklich alleine im Universum? Gibt es gar mehr als nur ein Universum? Werden die Menschen jemals die Möglichkeit haben, eines dieser anderen Universen zu bereisen?
Diese Fragen sind nur zum Teil beantwortbar und auch dann nur mit einer gehörigen Portion "Wahrscheinlichkeit". Aber alle setzen voraus, dass man sich intensiv mit dieser Antimaterie beschäftigt. Je näher man sich damit beschäftigt, desto deutlicher wird aber auch, dass irgendwann wieder abstrakte Vorstellungen entstehen, die auf einer Art Glaube beruhen.
Doch ist hierbei der Glaube nur eine Richtung, in der man vorgehen möchte oder kann - dieser Glaube ist mehr der Versuch, seinen Vorstellungen ein Bild zu geben, was man anderen vermitteln kann. Dieses Bild kann dann dazu genutzt werden, an dem Theorem zu forschen.
Pulsiert unser Universum nicht sogar? Wie lange dauert es, bis es wieder in sich zusammenfällt und alles von vorne beginnt? Haben wir das nicht vielleicht irgendwo schon einmal gehört oder gesehen?
Richtig, im Hinduismus gibt es Lehren, dass irgendwann alles wieder von neuem beginnen wird. Und diese Lehren sind vergleichsweise alt.
Schon vermischt sich der Glaube wieder mit der Wissenschaft.

Wie aber sind diese Lehren entstanden? Sind es fundierte wissenschaftliche Ergebnisse oder die Theorien eines Visionärs, dem niemand das Gegenteil beweisen konnte? Gibt es da überhaupt einen Unterschied?

Ich höre jetzt erstmal auf. Falls jemand das hier noch liest, vielen Dank für das Durchhaltevermögen...glaube ich... zu wissen...
It's a conspiracy...

Argamae

ZitatSind wir wirklich alleine im Universum? Gibt es gar mehr als nur ein Universum? Werden die Menschen jemals die Möglichkeit haben, eines dieser anderen Universen zu bereisen?
Dafür gibts ja gottseidank Rollenspiele! [25] (Sorry, den konnte ich mir nicht verkneifen)

Weitere ernste Antworten, sobald ich Zeit hatte, das hier Gesagte nochmal zu verinnerlichen...
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Thalurial

Als ein Beispiel für den Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Glauben könnte man auch das Atom anführen.
Demokrit hat als nachweislich Erster das Atom als Grundbaustein der Materie definiert. Allerdings formte sich zur gleichen Zeit auch die Lehre der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft.
Die Vorstellung der Elemente als Grundbausteine war den Menschen einfacher, daher hat sie sich durchgesetzt. Atome waren zu abstrakt.
2 Jahrtausende haben sich die Elemente gehalten, auch das Christentum hat sie nicht abgelehnt, da man sie als Schöpfung Gottes verstehen konnte.
Mit den Alchimisten kam dann langsam das empirische Forschen auf, noch verstärkt durch den Humanismus, der den Verstand über den Glauben setzte.
Nach und nach formte sich so ein neues Bild vom Aufbau der Materie und Demokrits Idee vom Atom wurde wieder aufgegriffen.
Heute wissen wir, dass sich die Materie aus Atomen aufbaut, die selbst noch aus Teilchen und Quarks bestehen.
Allerdings glauben viele noch an die Elemente und ihre Macht. Allerdings haben sich diese mehr auf Denk- und Verhaltensweisen verschoben und sind somit zu einer Philosophie geworden.

Philosophie ist vielleicht auch das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Glauben. Die alten Griechen kannte eigentlich nur ihre Philosophie, die quer durch alles Wissenschaft, Kunst und Glaube beinhaltet hat.
Und auch heute kann man gleiche Gruppen, ob Wissenschaftler, Künstler oder Religiöse, noch in verschiedene Philosophien unterteilen.
Philosophie ist oft auch ein wichtiger Entscheidungsgrund, wenn sich aus anderen Gründen keine eindeutige Entscheidung ableiten lässt, Vor- und Nachteile sich aufwiegen. In diesem Fall treffen die meisten Menschen, oft unbewusst, eine Entscheidung auf Basis ihrer Lebensphilosophie...

aber ich gleite schon wieder ab [23]

Quelle zu Atom: http://de.wikipedia.org/wiki/Atom
Schnelle Bewegung ist noch kein zielgerichtetes Vorgehen.

Ghost

ZitatDafür gibts ja gottseidank Rollenspiele! [25] (Sorry, den konnte ich mir nicht verkneifen)
Welchem "Gott sei Dank"?  [15]

ZitatQuelle zu Atom: http://de.wikipedia.org/wiki/Atom
Wikipedia - noch so eine Religion.
Da können so viele Leute etwas hineinschreiben, dass es nicht unbedingt als wissenschaftliche Grundlage dienen sollte. Höchstens als Portal zu anderen, eventuell fundierten Seiten.
It's a conspiracy...

Greifenklaue

ZitatAls Beispiel die Division mit Null. Eine zeitlang wurde "vorgebetet", dass es verboten sei, so etwas zu tun. Später hieß es dann einfach nur noch, dass es undefiniert ist. Tausende von Mathematikern träumen sicherlich davon, eine Lösung für dieses Problem zu finden, einfach aus dem Grund, weil sie der eigenen Religion (die Mathematik) nicht trauen.
Naja, eigentlich ist ja hinreichend bekannt, wie sich eine Funktion an der Stelle verhält. Zumindest für diesen Bereich existiert eine Lösung, einfach Polynomdivision (und dadurch in einen echt gebr. und einen unecht gebr. Teil aufteilen) und Du weißt, ob es eine hebbare Lücke (mit welchem Wert, z.B. 0; 5) ist oder eine Polstelle mit oder ohne VZW.

Oder die Regel von De L'Hospital ist auch eine, die sich damit beschäftigt.

Wobei ich nicht bestreiten will oder kann, dass man noch nach anderen Lösungs- oder Umgehungsmöglichkeiten sucht.



"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
Schwarzauge wird büssen."

Thalurial

Mathematik und Regeln sind ein guter Ansatzpunkt für die philosophische Betrachtung der Wissenschaft.
Mathematik funktioniert nur, wenn ich willkürlich Regeln festlege.
Eine Grundregel in unserer Mathematik sind die 10 Ziffern von 0 bis 9, aus denen sich die natürlichen Zahlen zusammensetzen. Für andere Rechenmodelle, z.B. Binärrechnung (2 Ziffern) oder Hexadezimalrechnung (16 Ziffen) müssen wieder neue Regeln aufgestellt werden.

Früher gab es andere Regelmodelle.
Vor allem in Europa war ja das Dutzend eine wichtige Größe. 12 Teile bildeten ein Dutzend, unter dem sich jeder etwas vorstellen konnte. 5 Dutzend wiederum einen Schock, mit dem auch die meisten noch rechnen konnten. Die Zahl 60 in der Zeitrechnung ist nicht zufällig gewählt, sondern basiert auf diesem Modell.
Die Römer kannten ihr eigenes System, das dem Dezimalen ähnlich ist, aber letztendlich nur eine Abkürzung für die vielen Striche war, die man beim Zählen machte.
Soweit ich mich entsinne, gab es in Babylon oder Mesopotamien ein System, das auf der 7 basierte und die Schüler musste das kleine Einmaleins bis 49 mal 49 lernen.

Mathematik ohne Regeln und Axiome funktioniert nicht.
Ebenso ist es mit dem Glauben. Eine Glaubensgemeinschaft benötigt ebenfalls Regeln und feste Bedeutungen, um überleben zu können. Man muss sich erkennen, braucht gemeinsame Rituale und ein gemeinsames Ziel, um eine Einheit bilden zu können.
Und in beiden Gebieten gibt es Zweifler. In der Mathematik werden Regeln oder Axiome wiederlegt, manchmal nur neu definiert. Im Glauben werden Fehler aufgedeckt oder die Menschen merken, dass ihre Regeln nicht mehr ihrem Leben entsprechen und ändern sie, was immer wieder zu neuen Glaubensrichtungen und Sekten geführt hat.

Als weiteres Beispiel möchte ich noch Elektronen anführen. Die allgemeine Regel lautet, dass man entweder nur den Ort oder die Geschwindigkeit eines Elektrons ermitteln kann, nie beides zur gleichen Zeit. Aber könnte man es nicht doch, indem man einen neuen Begriff und damit eine neue Regel definiert? Etwas, das Ort und Geschwindigkeit zur gleichen Zeit erfasst?
Gelingt dies, ist wieder eine wissenschaftliche Regel widerlegt und viele werden in ihrem festen Glauben erschüttert sein.
Schnelle Bewegung ist noch kein zielgerichtetes Vorgehen.

Greifenklaue

ZitatMathematik und Regeln sind ein guter Ansatzpunkt für die philosophische Betrachtung der Wissenschaft.
Mathematik funktioniert nur, wenn ich willkürlich Regeln festlege.
Eine Grundregel in unserer Mathematik sind die 10 Ziffern von 0 bis 9, aus denen sich die natürlichen Zahlen zusammensetzen. Für andere Rechenmodelle, z.B. Binärrechnung (2 Ziffern) oder Hexadezimalrechnung (16 Ziffen) müssen wieder neue Regeln aufgestellt werden.
Naja... Wie Du schon beim Beispiel der "7" schriebst, funktioniert das Einmaleins immer nach dem selben Prinzip. Addieren, Subtrahieren, dann wird es schon komplizierter mit Multiplizieren und Dividieren. Das römische System ist zwar toll für natürliche Zahlen, aber schon rationale Zahlen (z.B. Dezimalkommas) bereiten Probleme.

Trotzdem lässt sich auch ein Zwanzigersystem, wie es die Azteken (von den Mayas übernommen) hervorragend zum Bestimmen astronomischer Phänomene bestimmen.

So ist es zwar willkürlich festgelegt, auf welcher Basis mein Zahlensystem operiert, aber die Operationen damit nicht.

Bei jedem System, Boolsche Algebra mal ausgenommen, wird herauskommen, dass 5 Äpfel plus 3 Äpfel 8 Äpfel sind, ob ich nun 3 und 5 oder 0011 und 0101 schreibe.

Da find ich den Vergleich zur Physik schon passender, da es hier tatsächlich fundamentale Umwälzungen und Denkansätze gab. Die Erde ist nicht Zentrum der Milchstraße. Ein Photon (und ein Elektron) sind weder vollständig Teilchen noch Welle (Welle-Teilchen-Dualität)[und ja, hier findet sich vielleicht auch mal etwas, was beides einheitlicher beschreibt]. Und vieles andere, was schon längst widerlegt wurde.

Tolle Beispiele sind hier Flogiston ("der Stoff, aus dem die Wärme ist") und der Äther ("der Stoff, der Radiowellen weiterleitet").

Ersteres ist leider nicht in Wikipedia, zu zweitem gibt es einen interessanten Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84ther_%28Physik%29

"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
Schwarzauge wird büssen."

Thalurial

Leider stecke ich nicht mehr allzu tief in der Mathematik drin, um Axiome oder höhere Mathematik genauer anzuführen.
Addieren, Subtrahieren... das vergleiche ich mal mit der einfachen Wahrnehmung der Umgebung. Wenn der Wind weht, bewegen sich die Bäume. Multiplizieren gehört auch noch mit dazu: Je mehr Wind, desto stärker bewegen sich die Bäume.

Schon beim Dividieren fangen die Regeln an, die ich festlegen muss.
Was ist, wenn meine Division nicht ganz aufgeht?
7 geteilt durch 2 kann sein:
- 3,5
- 3 einhalb
- 3 Rest 1
Oder wie behandle ich unendliche Reihen, z.B. 7 geteilt durch 3?

Je komplizierter die Rechnungen werden, umso mehr muss ich Regeln festlegen, die auch immer willkürlicher werden.
Im Glauben ist es ähnlich. Die Bäume sehe ich, den Wind spüre ich... aber woher kommt der Wind? Hier muss ich wieder eine Festlegung treffen, wenn ich keine Möglichkeit habe, die Ursache heraus zu finden.

Noch ein Beispiel ist der Sauerstoff. Ursprünglich ging die Wissenschaft davon aus, dass Sauerstoff leichter als als alles andere ist. Wenn man etwas verbrennt, entweicht der Sauerstoff und dadurch wird die Asche schwerer. Auch dieses war ein Glaube in der Wissenschaft, der sich hartnäckig gehalten hat, bis man die Moleküle und Atome untersuchen konnte.

Grundsätzlich denken doch die Menschen nach der Philosophie des Anaximander von Samos:
Ich beobachte etwas... Ich denke mir aus, was dahinter stecken könnte... Ich nehme dies als Wahrheit an
Jedoch haben wir als aufgeklärte Menschen die Möglichkeit, diese Wahrheit entweder zu Glauben oder sie Wissenschaftlich zu hinterfragen und somit zu Beweisen oder zu Widerlegen.
Schnelle Bewegung ist noch kein zielgerichtetes Vorgehen.

Greifenklaue

ZitatLeider stecke ich nicht mehr allzu tief in der Mathematik drin, um Axiome oder höhere Mathematik genauer anzuführen.
Addieren, Subtrahieren... das vergleiche ich mal mit der einfachen Wahrnehmung der Umgebung. Wenn der Wind weht, bewegen sich die Bäume. Multiplizieren gehört auch noch mit dazu: Je mehr Wind, desto stärker bewegen sich die Bäume.
Wahrnehmungen in der Natur sind allerdings immer Physik, die ja unzweifelhaft das Hauptanwendungsgebiet der Physik ist.
ZitatSchon beim Dividieren fangen die Regeln an, die ich festlegen muss.
Was ist, wenn meine Division nicht ganz aufgeht?
7 geteilt durch 2 kann sein:
- 3,5
- 3 einhalb
- 3 Rest 1
Oder wie behandle ich unendliche Reihen, z.B. 7 geteilt durch 3?
Also, Dein Beispiel ist ganz gut. Wenn ich einen Apfel teile, leert uns die Erfahrung, habe ich zwei halbe Äpfel. Wie ich den nun nenne, ist an sich egal. On Du es als Dezimalzahl, Bruch oder als Rest darstellst (der Rest gehört ja zur Basis zwei und ist wieder 1/2). Das ist ja eher eine systemische Frage. Das römische System ist für natürliche Zahlen gut, rationale Zahlen (7/3) würde es nicht erfassen. Das arabische System (was nicht daher kommt, ich empfehle "Die Geschichte der Eins"... ) hingegen würde es am ehesten als Bruch darstellen, da es als Dezimalbruch unendlich lang wäre.

Ich verstehe schon, wodrauf Du hinauswillst, sehe da aber eher treffende Beispiele in der Physik, wo sich wirklich Theorien widerlegt haben. Mathemathik ist letztlich dafür nur ein Hilfswerkzeug, auch wenn mathematische Entdeckungen oft auch entsprechende Neugestaltungen physikalischer Gesetze/ neues Verständnis fördern.
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
Schwarzauge wird büssen."

Dead man walkin`

ZitatEs hatte schon einen Grund, weshalb man es im Mittelalter bei den meist ungebildeten und illiteraten Menschen so leicht war, ihnen durch die Institution "Kirche" völlig neue Werte und Vorstellungen aufzudiktieren. Warum? Niemand konnte sich durch das Lesen selbst eine eigene Meinung über die "heiligen Schriften" bilden.

zunächst mal möchte ich anmerken, dass "Kirche" heutzutage zwar als Institution verstanden wird, dennoch nich korrekt ist.
Kirche hat nach der Bibel nichts mit "Gotteshaus" zu tun, sondern die Menschen, die glauben, sind die Kirche, egal wo, egal wann etc.

@Wissenschaft vs. Glauben: ich habe mich mal mit einem angehenden Physiker darüber unterhalten. Ich fragte ihn, nachdem er sagte das er sein diplom in Physik schreibt, ob er dann nicht der totale Ketzer wäre. Daraufhin verneinte er zu meiner verblüffung meine frage, und erklärte mir das die Wahrscheinlichkeit um die "Rahmenbedingungen" für solch einen Urknall unglaublich gering sind.
Ich kann nicht wiedergeben was es für solch einen Urknall benötigt, aber ich frage mich seitdem wirklich, wie die natur, bei einer so extrem niedrigen Wahrscheinlichkeit eine derartige Energie frei geben kann?! oder wurde nachgeholfen?

ZitatPulsiert unser Universum nicht sogar? Wie lange dauert es, bis es wieder in sich zusammenfällt und alles von vorne beginnt? Haben wir das nicht vielleicht irgendwo schon einmal gehört oder gesehen?

zu letzt gesehen bei Matrix, den konnte ich mir wiederum nicht verkneifen [25]
"Sein Helm beengte ihn. Er nahm ihm die Sicht. Und er muss weit sehen. Sein Schild war Schwer. Er nahm ihm das Gleichgewicht. Und sein Ziel ist weit entfernt..."

Greifenklaue

Zitat@Wissenschaft vs. Glauben: ich habe mich mal mit einem angehenden Physiker darüber unterhalten. Ich fragte ihn, nachdem er sagte das er sein diplom in Physik schreibt, ob er dann nicht der totale Ketzer wäre. Daraufhin verneinte er zu meiner verblüffung meine frage, und erklärte mir das die Wahrscheinlichkeit um die "Rahmenbedingungen" für solch einen Urknall unglaublich gering sind.
Ich kann nicht wiedergeben was es für solch einen Urknall benötigt, aber ich frage mich seitdem wirklich, wie die natur, bei einer so extrem niedrigen Wahrscheinlichkeit eine derartige Energie frei geben kann?! oder wurde nachgeholfen?
Das halte ich auch für den Ansatz, wie Glaube und Wissenschaft vereinbar sind.

Nachts auf BR3 - Space Night - kommen auch ab und an höchstspannende Beisträge, u.a. das stundenlange Zwiegespräch eines Theologen mit einem Physiker. Wenn ihr nachts mal nix vor habt...  [25]
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
Schwarzauge wird büssen."

Argamae

ZitatNachts auf BR3 - Space Night - kommen auch ab und an höchstspannende Beisträge, u.a. das stundenlange Zwiegespräch eines Theologen mit einem Physiker. Wenn ihr nachts mal nix vor habt...
Ja, da gibts ganz fantastische Sachen zu sehen, z.B. Alpha Centauri. Ich gebe gern für alle einen Link preis, der zu sämtlichen bisher gesendeten Beiträgen von Prof. Harald Lesch der letzten Jahre führt (das Archiv umfaßt alles von 1998 bis 2006!). Die kann man sich dann in Ruhe nochmal ansehen (jeder Beitrag ist ca. 15 Minuten lang und behandelt immer ein wissenschaftliches Thema).
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Ich glaube zudem, der von Dir betitelte Theologe aus dem Zwiegespräch (meist im Restaurant eines Italieners, oder so) ist ein Philosoph, aber ich kann mich irren. [25]
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