• Willkommen im Forum „Greifenklaue - Webforum +1“.
 

Neuigkeiten:

Aufgrund verschiedenster, regulären Spamregistrierungen auf unser Forum habe ich mich entschlossen, die Registrierung komplett zu deaktivieren.

Gerne erstelle ich euch aber einen entsprechenden Account manuell wenn ihr Kontakt mit mir über die Emailadresse in der Fußzeile des Forums (im Jargon "Footer") eine entsprechende Mail mit Screenname Wunsch schreibt.

Hauptmenü

[Systemvorstellung] TRAVELLER Classic

Begonnen von Argamae, 09. Februar 2009, 18:29:19

« vorheriges - nächstes »

Argamae

TRAVELLER – Das klassische Science-Fiction-Rollenspiel



Tja, das ist es – das SF-Urgestein. Wo D&D Standards für Fantasy gesetzt hat, war Traveller ein Maßstab für Science-Fiction-Rollenspiele. 1977 erstmals von Marc W. Miller auf den US-Markt gebracht, dauerte es 8 Jahre, bis auch Deutschland in den Genuß dieses Meilensteins kam. Die deutsche Fassung faßte gleich mehrere US-Bände zu einem Grundregelwerk zusammen.
Aber warum war Traveller ein Meilenstein? Weil es den Aspekt ,,Science" (also Wissenschaft) als Grundlage für seine Modellierung von SF-Universen nahm. So gesehen ist Traveller ein Werkzeugkasten, der dem Spielleiter die Erschaffung von Planeten, Sternensystemen, Sektoren und ganzen Galaxien erlaubt. Nach damals gängigen, wissenschaftlichen Gesichtspunkten ließen sich mittels Würfeltabellen und Formeln fremde, neue Welten entwerfen – ihre Größe, Zusammensetzung, Atmosphäre, Monde, etc. Sogar Zivilisationen, grob in technologische, wirtschaftliche und sozialpolitische Elemente unterteilt, konnte man so für seine neu erschaffenen Planeten erstellen.
Der simulative Grundgedanke durchzieht das komplette System. Es gibt keinen Metaplot, keine ,,Storybögen" oder ,,Grundstimmung". Es gibt kein ,,gutes Sternenreich" (Star Trek) oder ein ,,böses Regime" (Star Wars). Nur ein neutrales, riesiges Universum voller Möglichkeiten. Wo in anderen Rollenspielen mehr oder weniger unterschwellig impliziert wird, daß die Charaktere nicht zu mächtig werden sollen, um das ,,Spielgleichgewicht" nicht zu stören, kümmert es bei Traveller niemanden – mehr noch: hier sind alle Regeln enthalten, mit denen die Spielercharaktere jede ,,Machtstufe" erreichen können, zu der sie mittels ihres Geschicks imstande sind. Macht ist bei Traveller gleichzusetzen mit Sozialstatus, monetären Mitteln und politisch-wirtschaftlichem Einfluß, nicht mit besonders hohen Fähigkeitswerten in ,,Kampf" oder ,,Lebenspunkten".

Überhaupt nimmt sich der Regelteil recht bescheiden aus – was angesichts meiner Titulierung eines ,,simulativen Systems" verwundern könnte. Aber Simulation heißt nicht unbedingt ,,viele Regeln". In Traveller wird alles über eine recht simple Grundmechanik abgewickelt, an deren vorderster Front der 2W6-Wurf steht. Diverse Modifikatoren kommen zur Anwendung, um dann eine Mindestschwierigkeit zu erreichen oder zu übertreffen. Zu diesen Modifikatoren zählen in erster Linie Fertigkeitswerte (i.d.R. zwischen 0 bis 3) und Situationseinflüsse. Auch besonders hohe Eigenschaften (etwa Bildung oder Geschicklichkeit) können einen Wurf beeinflußen.
Kernstück der Ausgangsbestimmung ist das 1987 auf Deutsch mit Traveller II eingeführte UAP – das universelle Aufgabenprofil. Es ist der Vorreiter aller späteren ,,Würfelproben-Mechaniken" oder neudeutsch ,,Skill Challenges". Das UAP bietet auf einen Blick (ein paar Zeilen) das Was, Wie, Womit und Wie lang einer Aufgabe, indem es Grundschwierigkeit, Aufgabentyp, anwendbare Würfelmodifikatoren, anwendbare Fertigkeiten, Zeitdauer und Folgen des Scheiterns festlegt.

Beispiel: das UAP in Anwendung.

A > Beheben schwerer Schäden am Gleiter
SCHWIERIG, Gravitik, Bildung, 15 Min.,(standard)

Das A) kennzeichnet hier die Aufgabe, alle anderen Angaben sind Details zur Abwicklung des Würfelwurfes. In diesem Fall wird durch die Grundschwierigkeit SCHWIERIG festgelegt, daß mindestens eine 11+ auf 2W6 erzielt werden muß; auf den Wurf positiv angewendet werden Fertigkeitsgrade in Gravitik und ein hoher Eigenschaftswert in Bildung; dieselben Modifikatoren werden negativ auf die Zeitdauer der Aufgabe angewendet (die oben angegebenen 15 Minuten bilden den Grundwert). Zuletzt gibt der Aufgabentyp ,,Standard" noch an, daß es sich um eine Standardaufgabe handelt, die sich durch einen bekannten Ausgang (Gleiter wird repariert oder nicht) und ein relativ risikofreies Durchführen kennzeichnet.

Die eher nüchterne, sachliche Präsentation von Traveller schlägt sich auch im Hintergrund nieder, den das SF-Rollenspiel natürlich auch zu bieten hat. Postuliert wird ein großes Imperium, das durch seine Ausdehnung über viele hunderte Parsec keine vollkommen einheitliche Kontrolle ausüben kann und es somit zu regionalen ,,Färbungen" kommen kann, die sich sowohl in der Art der Regierungsausübung wie auch in der Technologiestufe ausdrückt. Eine typische Traveller-Verwaltungseinheit ist der Subsektor, der Dutzende von Sonnensystemen enthalten kann. Elementen wie Interstellarer Handel, Reisezeiten, Kommunikation, Versorgung und Aufklärung kommt in Traveller besondere Bedeutung zu. Hier entpuppt sich der Hintergrund als gut durchdacht.
Natürlich gibt es überlichtschnelle Raumfahrt – in Traveller durch sogenannte ,,Sprung-Triebwerke" ermöglicht, die je nach Leistung 1 bis 6 Parsec in einem ,,Sprung" zurücklegen können, während an Bord immer die gleiche Zeitdauer verstreicht. Dieses Konzept sollte später noch von einigen SF-Rollenspielen aufgegriffen werden. Künstliche Schwerkraft zählt auch zu den utopischen Realitäten des Hintergrundes – sei es in Form von Antigrav-Gürteln, blitzschnellen Grav-Flitzern oder schwer bewaffneten Schwebepanzern. Auf höheren technischen Entwicklungsstufen (,,Techgrade" genannt) sind noch andere Wunder der Wissenschaft/Fiktion möglich. Da diese Techgrade aber selbst innerhalb eines Sektors stark fluktuieren, kann es durchaus sein, daß man eine Notlandung auf einem Planeten machen muß, auf dem die Dampfkraft gerade den Höchststand an Entwicklung darstellt (eine solche Welt ist aber i.d.R. kein Mitglied des Imperiums, sondern unterliegt meist Anflug-Einschränkungen).


Fan-Impression eines typischen Traveller-Raumschiffs: der 100 t-Scout/Kurier

Ein Charakter in Traveller wird folglich auch deutlich ,,nüchterner" erschaffen als in den meisten anderen Rollenspielen. Es kommt der ,,Spielpersönlichkeit" keine zentrale Bedeutung in Form von Sonderfähigkeiten, Bonuspunkten oder Heldenstatus zu. Sondern man erschafft einen völlig regulären, ,,normalen" Bürger dieses Zukunftsreiches, wie man auch jeden NSC erschaffen würde. Das UPP (Universelles Persönlichkeits-Profil) eines Charakters könnte etwa 76A8B5 lauten, wobei dies im Grunde nur die horizontale Schreibweise der klassischen Attributsauflistung ist: Stärke, Geschicklichkeit, Ausdauer, Intelligenz, Bildung und Sozialstatus. Traveller arbeitet mit Hexadezimalstellen, um auch Werte von mehr als 9 als einstellige Ziffern darstellen zu können (A=10, B=11, C=12, etc.).
Befähigungen des Charakters messen sich primär in Fertigkeitsgraden, die er sich im Laufe einer systematischen Erschaffung aneignen kann. Hierzu durchläuft er Ausbildung und Karriere in einer ,,Dienstgattung" – darunter Raumflotte, Armee, Handelsmarine, Scoutdienst oder Andere (was ein Sammelbecken für diverse zivile Laufbahnen darstellt). Auch dieser Aspekt der Charakterentwicklung findet sich später in zahlreichen Rollenspielen wieder. Im Durchlaufen (und ,,Durchspielen") einer oder mehrerer 4jähriger Dienstperioden werden auf gewichteten Tabellen die erlangten Fertigkeiten erwürfelt – d.h. das man meist die Wahl zwischen zwei oder mehr Tabellen hat, aber der Würfel letztlich das genaue Ergebnis bestimmt. So können Eigenschaften angehoben oder gewisse Kenntnisse erworben werden.

Das Besondere (und oft Belächelte) an der Traveller-Charaktererschaffung ist, daß ein Charakter während des Schöpfungsprozesses sterben kann. Hier findet bereits ein ,,Minispiel" statt, weil jede begonnene Dienstperiode auch die Gefahr mit sich bringt, daß man in Ausübung seines Dienstes draufgeht. Man muß also Risiken und erneuten Fertigkeitsgewinn gegeneinander abwägen (ein Mindestwurf ist je nach Dienstgattung erforderlich). Mit dem oben schon erwähnten Traveller II wurde dieser Aspekt wahlweise auch mit sofortigem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst abgeschwächt. Mit zunehmenden Alter (bzw. Anhäufen von Dienstperioden) wächst auch der Kenntnisstand des Charakters. Aber das Alter bringt irgendwann auch ein Absenken von körperlichen Eigenschaften mit sich. Auch hier ist also ein Abwägen erforderlich – spiele ich einen noch etwas jüngeren Charakter, der aber weniger und/oder nicht so hohe Fertigkeitswerte besitzt, oder mache ich einen betagten Veteranen, der viel erlebt hat und weiß, aber körperlich in entsprechenden Situationen nicht mehr viel reißen kann?

Und so sucht der Charakter in einem offenen, großen Universum sein Glück. Mehr noch als in allen anderen Rollenspielen, die ich kenne, lebt ein Traveller-Universum vom Spielleiter und seiner Anwendung der einfachen, aber erstaunlich vielseitigen Regeln. Mehr noch: es lebt von der Kreativität des SL und der Spieler. Ohne roten Faden, Meta-Story und allzu überbordende Fluff-Texte sitzt man hier in einer gewaltigen ,,Sandbox" und sucht sich selbst seine Bestimmung in den Weiten des Weltraums. Eine Söldnertruppe im Dienste lokaler Regierungen oder sektorweiter Konzerne? Ein Freihändler mit eigenem Raumschiff (das noch abbezahlt werden will) auf der Suche nach dem großen Deal? Ein Trupp Raumgardisten im Kampf gegen die systemweite Piraterie? Selber ein Pirat auf Beutezug gegen fette, subventionierte Linienfrachter? Ein Scout-Team an den Grenzen des erforschten Weltraums auf der Suche nach neuen Welten? Eine wissenschaftliche Einsatzgruppe bei der Vermessung prähistorischer Ruinen auf einem atmosphärelosen Mond? Agenten eines interstellar operierenden Megakonzerns bei der Sabotage möglicher Wirtschaftsrivalen? Aktivisten einer planetaren Umweltorganisation im Kampf gegen skrupellose Müll-Dumper von der Außenwelt? Techno-Terroristen mit umfassenden Computerfähigkeiten bei der Lahmlegung und Geiselnahme eines Passagierliners? All das ist Traveller.

Die Abenteuermöglichkeiten können mysteriös sein, aber sie sind selten übernatürlich. Klar, auch Traveller hat seinen Anteil an Geheimnissen – zum Beispiel die durchaus vorhandenen Fremdrassen und die rätselhafte Geschichte der über die Sternensysteme verstreuten Menschheit – aber diese Elemente sind rar gesät. Es tummeln sich an typischen Raumhäfen keine Dutzend verschiedene Aliens herum (wie bei Star Wars), sondern die Fremdrassen bleiben größtenteils unter sich. Ein klar ,,übernatürliches" Element – und das einzige, wirklich offen beschriebene – ist die Psionik. Jeder Charakter besitzt das Potenzial, Psi-Kräfte zu erwecken. Doch das ist, man ahnt es sicher schon, nicht so leicht, da die Organisation, die sich der Erforschung und Förderung dieser Kräfte verschrieben hat, sehr verdeckt operiert (da die öffentliche Meinung stark "anti" geprägt ist). Und eine Zweigstelle dieses Psionischen Instituts zu finden ist bereits ein Abenteuer für sich.

Traveller ist klassische SCIENCE-Fiction – mit genau dieser Betonung.
Und sein erstaunlich robustes Regelgerüst funktioniert heute noch so gut wie vor 30 Jahren.
In Memoriam Gary Gygax (1938-2008), Dave Arneson (1947-2009), Joe Dever (1956-2016), Greg Stafford (1948-2018), Terry K. Amthor (1958-2021) und Ingo Schulze (1977-2021)
|It's all fun and games - until somebody fails a saving throw!| D&D Meme

Impressum: Dieses Forum wird betrieben von Linuxandlanguages.com, Inh. Maik Wagner / Seigerhüttenweg 52 / 38855 Wernigerode

 Kontakt unter admin [at] greifenklaue [punkt] de

 Datenschutzerklärung