Hallo.
Vorneweg: ARS Fanatiker hin oder her: Als potentielle Teufelsanbeter und teuflisches, weltfremdes, spinnertes Gezücht sitzen wir alle Rollenspieler in einem Boot - das macht uns nicht zu Brüdern (getreu des Apfels eher zu Schwestern, aber auch das nicht), aber zu Opfern und Tätern gleichermaßen.
/Tanelorn Modus an
Warum drehe ich Würfel? ... Jeder Wurf oder jedes Wurfergebnis lässt sich ja im Kontext erzählen.
Für mich ist dieser letzte Satz in diesem Absatz entscheidend. Das meine ich, wenn ich davon schreibe, dass ein Würfelergebnis "interpretiert" bzw. "erzählerisch" wiedergegeben werden kann.
Ebenso sehe ich in diesem Satz eben den Anknüpfungspunkt für Plausibilität bzw. Konsistenz in allem (Setting, Regeln, Charakterentwicklung.) Edit 2: Wenn also unter Plausibilitätserwägungen mehr drin ist das Netto-Ergebnis des spezifischen Wurfes, dann spricht imho nicht alles zwingend gegen eine Ausdehnung des Würfelergebnisses. Die Grenzen zum Drehen werden allerdings fließender durch eine solche Praxis, weshalb so etwas "mit Vorsicht" zu genießen ist.
Wenn Deine Quantifizierung stimmt und Du in "nur" 10% der Fälle drehst, dann unterstelle ich Dir, dass Du damit 10% der Fälle meinst, die auch "wirklich bedeutsam" sind, oder nicht?
Wann drehe ich: Das Regelwerk ist mies oder ich kenne die Regeln nicht gut genug. ... Hier drehe ich nicht aktiv die Würfe, aber Regelunkenntnis, wahlloses Vergessen von Boni und Mali und dann das Definieren, dass der Wurf ausgereicht oder nicht, ist als Willkür zu sehen.
Willkür setzt Vorsatz voraus. Ob Eventualvorsatz (billigendes Inkaufnehmen von ...) dafür ausreicht, will ich bezweifeln; man könnte ja Nachlesen und das Spiel zur Arbeit ausarten lassen - schönen Dank auch, sehe ich nicht so eng.
Hier sehe ich daher keine Willkür; vielmehr verstehe ich solche Situationen, wie Du sie hier aufzählst, als Lösungen aus der Not zugunsten des Spielflusses geboren. Und ich unterstelle, dass dies grundsätzlich in der vagen Vorstellungen der grundsätzlichen und systemischen Konzepte des Spiels erfolgt.
Allerdings ist diese Not etwas anderes, als wenn ich einem Spieler einen Vorteil einräume, weil die Spielkonsequenzen ansonsten "das schönere", "reinere", "tollere" Spielerlebnis beeinflussen könnte => EPIC FAIL!
Und da sehe ich ein großes Problem in der gerechten Durchführung von ARS. Denn wer die Regeln am Besten kann, wird immer wieder eine Regel kennen, die ihn zum Vorteil führen. (Da kann ich mich an einige Szenen erinnern, die zu Unmut in Gruppen geführt haben) Dieses Problem lässt sich nicht so einfach beheben, weil eben nicht alle Leute alle Regeln haben oder sie lesen oder sie bei Zeiten wissen.
ARS, URX, ERX, xERX, XfürnU und Watt-Willst-Du? Keine Ahnung, ob das "die Schwäche" von ARS ist. Ein ARS Spieler unter Cortex oder Cthulhu ist sicher nicht mit einem ARS Spieler unter DSA/D&D/Shadowrun vergleichbar ...
Einige Regelwerke decken einige Spielsituationen nicht ab. ... GK schlug einen Regelwerkwechsel vor. Ist eine Möglichkeit, aber ich löse es im Grund mit der Hausregeln, ... Außerdem müssten sich 5 Leute in neue, komplizierte Regeln einlesen. Dabei wollen Sie doch Gurps spielen.
- Systemwechsel schlage ich auch vor. Immerhin gibt es simple Systeme, die schnell von vielen verstanden werden können.
- Bezogen auf das weggepunktete Beispiel: Das Gumshoe-System (Trail of Cthulhu u.a.) (= Cthulhu, und in den Szenen wird gewährleistet, dass die Spieler unabhängig von Würfelproben die wichtigsten Infos erspielen können => tolles System, auch aus anderen Gründen!).
- Hausregeln: Können klappen; wenn Ihr damit gute Erfahrungen habt, warum nicht. Meine bisherigen Erfahrungen mit Hausregeln waren
a) extrem schrecklich,
b) so unspektakulär, dass es sie gab, sie aber so gut wie nie im Spiel zur Anwendung kamen oder
c) so unspektakulär, dass regelmäßig in Frage gestellt wurde, warum nicht die "normalen" Regeln mit gleichem Ausgang verwendet wurden.
Laut Argamaes geht ja der Thrill verloren, wenn ich die Regeln breche oder Würfel drehe.
Jain.
Aus rein theoretischen Erwägung gibt es in jedem Fall einen Verlust, da mit den Spielprinzipien und Spielregeln gebrochen wird und damit das Spiel nicht mehr so erlebt werden kann, wie es geschrieben steht.
Aus praktischeren Erwägungen Ja und Nein:
Die Regeln eines Spiels zielen darauf ab, das, was schwer zu entscheiden ist, vereinfacht zu lösen. (Aber wem sage ich das?)
Werden bestimmte Situationen mit Lösung X das erste mal gespielt, beim zweiten Mal nahezu identische Situationen aber nach Y gespielt, wird spätestens beim dritten Mal die Frage aufkommen: Ja, watt denn nu? X oder Y oder wieder was neues, das Z nämlich?
Auch ich habe die leidige Erfahrung gemacht, durch das Bevorteilen von Spielern durch vereinzeltes "Drehen" Regelunsicherheiten begründet zu haben, die in nachfolgenden Situation zu Regelstreitigkeiten geführt hatten. Der vermeintliche Vorteil beim Drehen, kann einen heftigen Bummerang-Effekt beim nächsten Mal nach sich ziehen.
Übertrieben: Wird stur an dem Prinzip "Drehen" festgehalten, wird unter Umständen das systemische Gleichgewicht ausgehebelt => wird besonders deutlich, wenn man auf irgendwelchen Cons Leuten begegnet, die scheinbar von einem völlig anderen Spiel unter dem selben Spielenamen erzählen ...
Andere Übertreibung: Wenn der Spielleiter es geschickt anstellt, so dass die Spieler es nicht mitkriegen ... Was dann? Dann ist die Spielererfahrung wahrscheinlich nicht getrübt ... Aber spielen sie denn dann noch das Spiel, das den Namen ABC trägt?
Das Abenteuer ist unausgegoren:...
- Ent das Abenteuer nicht spielen,
- oder weder das Abenteuer an den Schwachstellen korrigieren, was mehr Vorarbeitet bedeutet, dafür ein besseres Spielerlebnis nahezu garantiert.
Abenteuer schreibt Situationen vor:
... Das missfällt mir als SL auch. Aber wie geht ihr ARS-Fanatiker mit so einer Situation um? Oder spielt ihr keine Kaufabenteuer mehr und schreibt alles selber?
- Tjoa, wenn ich so ein Abenteuer hätte, dann würde ich das wahrscheinlich knallhart durchziehen, was da geschrieben steht, auch wenn der Streit vorprogrammiert wär'. Wenn das aber so ein geschriebener Unfug wie in "Narrenball" (für Cthulhu) wär', würde ich da einen Strich drauf machen und aus dem Unfug etwas Solides und auch für die Spieler hoffentlich Inspirierendes machen (viel Arbeit, aber wenn's schön wird?).
- Als potentiell als ARS-Fanatiker Diskrimierter räume ich ein: Ich spar das Geld und schreibe Abenteuer ohnehin schon seit langem selbst, da ich in den ersten Jahren meiner Spielleidkarriere zu viele leidige Erfahrungen mit gekauften Abenteuern gemacht hatte.
Konvertierungen stimmen nicht:...
Da ich Spielsysteme und ihre Inhalte mangels Diplom in Waffen-, Sprengstoff-, Architektur-, beliebige Ingenieurswissenschaften-m beliebige Naturwissenschaften- etc. pp nicht auf ihre Plausibilität bezogen auf unsere anerkannte Wirklichkeit hin prüfe, arbeite ich mit dem Spielsystem, wie es sich anbietet; wenn die Spielgruppe Sturm läuft, ließe ich mit mir verhandeln; bestenfalls kommt mal 'ne offizielle Errata zum Einsatz.
Spielzeit und Spielanteile
... Wie man das hätte lösen, haben wir ja in anderen Thread schon genannt. Aber ähnlich wie Xanos habe ich beim Leiten eben nicht nur das Abenteuer im Kopf, sondern auch einige Realweltfaktoren, wie Spielfluss, Abenteuervorbereitungszeit, Beschäftigungsmöglichkeiten aller SC, Pizzapause, Regelunkenntnisse, Lieblingsszenen.
Ich behaupte mal, dass diese "Sorgen" nicht nur bei Dir und bei xanos am Start sind.
Spielzeit ist immer ein Thema.
Mir ist zum Glück kein Spielleiter bekannt, der gerne in Kauf nimmt, dass ein Spieler teilnahmslos am Spieltisch sitzt.
Leider gibt es aber Opfer durch die besonderen Umstände, bei denen so ein Schicksal eben passieren kann.
Das ist mir als Spieler sowie als Spielleiter auch schon passiert, gut gefühlt hat sich dann niemand - weder ich als Spielleiter noch als wartender Spieler noch (!) als Spieler in der günstigeren/ aktiveren Phase.
Ich halte mich meist an die Würfe, aber lass mir eben nicht die Option des Mogeln nehmen. In einer nicht kleinen Zahl von Regelbüchern steht in der Spielerleitersektion als erstes, dass ich auf die Regeln pfeifen soll, wenn sie mir nicht passen und Würfelergebnisse mich nicht zu interessieren haben.
Wie ich in dem anderen Über-Thread schon geschrieben habe: Ja, diese "goldene Regel" gibt es; aber nicht selten wird an gleicher Stelle oder an "speziellerer" Stelle im selben Regelwerk darauf hingewiesen, dass die Regeln, wie sie geschrieben stehen, einen Sinn haben und daher grundsätzlich eher davon abgesehen werden sollte, von den Standards abzuweichen . (Unvermeidbare Folgediskussion bei zukünftig (für die Spitzfindigen nahezu) identischen Situationen und anderer Handhabe der Regeln; Balancing)
Seien wir nicht päpstlicher als eben jener; und wer schuldlos ist, soll den ersten Stein schmeißen. Ich mache es nicht mehr (das Drehen); ich finde es mit Blick auf Spielkonsistenz und Plausibilität höchst problematisch, wenn es geschieht; der Spielreiz kann enorm darunter leiden (dazu im P.S.: gleich mehr), wenn gedreht wird. Wer es dennoch tut, so what? Vermutlich dreht sich die wahre Welt dann nicht plötzlich um eine horizontale Achse ...
Edit: /Tanelorn Modus aus
ARS-fanatische Grüße
C-LOR
P.S.:
Früher habe ich das viel gemacht - dieses Drehen von Würfeln oder starke Auslegen zu Gunsten der spieler. Ja sogar bewusst deus ex machinas ohne Ende ... In den vereinzelten Situationen dieser Art fühlte sich das irgendwie immer gut an; ja, es ergaben sich sogar neue Gelegenheiten durch die gelegentlichen Improvisationen ...
Irgendwann habe ich aber auch festgestellt, dass die Spieler nachlässiger wurden - sie riskierten scheinbar Unsinniges, verstanden immer weniger die Zusammenhänge, verloren ihre Ziele - schlimmer noch: sie kannten ihre Charaktere immer weniger. Eine Erklärung hatte ich nicht.
Nach längerer Spielunterbrechung spielten wir wieder los. Meine Absicht war aber, die Spielregeln konsequenter anzupacken, weil mir meine eigenen Unsicherheiten aus der Vergangenheit echt auf die Nerven gingen. Deshalb erfolgte die Ansage an meine Spieler: "Gestorben wird trotzdem! Stellt Euch drauf ein."
Die Ansage zündete nicht, aber der erste Charaktertod unter Beibehaltung der Spielregeln wirkte Wunder. Angemerkt sei: Es war kein erzwungener, kein gerailroadeter und kein von mir bewusst herbeigeführter Charaktertod - es war eine ganz normale Kampfbegegnung, in welcher der Spieler eine dumme Entscheidung getroffen hatte, die von den Gegnern konsequent ausgenutzt worden War.
In der Folgezeit stellten sich mehrere Dinge ein:
1. Die Spieler begannen wieder, sich mit ihren Charakteren zu beschäftigen; und mit den Spielregeln. Sie kannten ihre Feats, Skills, Gegenstände und Spells.
2. Die Spieler verfolgten aufmerksamer, was in den Abenteuer geschah; sie trafen bewusstere Entscheidungen und planten.
3. Die Spieler gingen keine waghalsigen Maneuver mehr ein; ja, sie irrten nicht Hals über Kopf gedankenverloren los, weil ihre anfangs "schnodderige" Art ihnen zusehnds immer mehr Probleme bereiteten ...
System: D&D 3.5, Eberron Kampagne; Charkaterstufen 8.-10.